Kreatives Brandenburg

Brandenburgs Kreative in der Pandemie (X): Katrin Seifert

Brandenburgs Kreative in der Pandemie (X): Katrin Seifert

Die Corona-Pandemie hat die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur ausgebremst, sondern teilweise in existenzielle Nöte gebracht. Jetzt, nach einem Jahr Pandemie, heißt es: nach vorne schauen! Auch 2021 ist noch nicht alles wie früher und es wird auch in den nächsten Monaten nicht einfacher werden, aber es gibt Chancen, dass wir zu einer (neuen) Normalität kommen.

Kreatives Brandenburg will den Akteuren selbst eine Stimme geben, eine schlaglichtartige Bestandsaufnahme wagen. Wie sind Brandenburgs Kultur- und Kreativschaffende durch das vergangene Jahr gekommen? Wie ergeht es ihnen in der Krise? Was kann 2021 bringen? HeuteKatrin Seifert

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit ausgewirkt?
Puuh, für mich war das 1. Corona-Jahr ein äußerst produktives. Denn kurz vor dem 1. Lockdown hatte ich nach einem Dreivierteljahr „Kampf“ einen Zuschlag vom Bündnis für Brandenburg für mein Projekt „Meine Gedanken und mein Gesicht erzählen vom Frieden“ erhalten. Und irgendwie ahnte ich, dass etwas passieren wird, so dass ich von Anfang an „auf die Tube drückte“. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ich wollte möglichst alle elf ProtagonistInnen, MigrantInnen aus Potsdam und Umgebung, „vor meine Staffelei“ bekommen. Ich wollte ihre „Friedensgesichter“ und Gedanken festhalten.

Um sie in Öl live zu porträtieren, fertigte ich von ihnen erst einmal Zeichnungen an. Dadurch erfasste ich ihr Gesicht und ihre Eigenheiten. Ich erfragte ihre Lieblingsfarben, um das Bild entsprechend zu gestalten. Jeder saß für die Zeichnung 2-3 Stunden bei mir. Daraus entwickelte ich einen Entwurf auf Leinwand und grundierte diese, bevor es zur nächsten Ateliersitzung kam. Dann hieß es für die Porträtierten, drei bis vier Stunden auszuhalten, und das 3-4 mal. Es war mir also ganz wichtig, eine positive Atmosphäre zu entwickeln und Vertrauen aufzubauen. Der Jüngste war 18 und der Älteste 57. Insbesondere diese Gespräche im Atelier machten mir das Projekt so wertvoll. Lebendige Menschen mit ihren lebendigen Schatten zu malen bedeutet für mich eine größere Herausforderung, aber auch ein größerer Spaß.

Parallel dazu organisierten wir erste Schreib-Werkstätten, in denen die TeilnehmerInnen lernen konnten, sich auf Deutsch schriftlich auszudrücken. Wir wollten Stimmungen und Alltagsgeschichten, sogenannte „Friedensgeschichten“ erfassen. Alexander Deutsch leitete diesen Workshop. Es lief also alles voller Schwung an. Und dann kam Corona…

Ich weiß noch, wie ich am 16. März 2020 zu Hause saß und dachte: Was nun? Einen Tag später hatte ich all meine notwendigen Malutensilien nach Hause verfrachtet, um dort weiter zu malen. Da mir nicht klar war, ob das Rechenzentrum (RZ) als öffentlicher Raum weiter geöffnet blieb. Zum Glück hatte ich bis dahin alle ProtagonistInnen fotografiert und wenigstens einmal im Atelier sitzen gehabt. Die ersten Porträts waren fertig, weitere im Prozess oder gerade erst in der 1. Stufe. Ich malte also weiter. Wir versuchten, weiterhin Kontakt über die WhatsApp-Gruppe aufrecht zu erhalten, denn ich wollte das Ziel, eine Vernissage am 2. Juli 2020 im Rechenzentrum, halten. Turbo, turbo, turbo. Um es kurz zu sagen: Die Vernissage fand statt. Die Geschichten wurden geschrieben. Das letzte Porträt wurde wenige Tage vor der Vernissage fertig. Danach ging es weiter, denn das Projekt musste weiter betreut werden, Öffentlichkeitsarbeit betrieben, eine Dokumentation fertiggestellt werden. Ich hatte bis Dezember zu tun. Manchmal schaute ich schon neidisch auf die, die von „Corona-Pause“ sprachen. Ende des Jahres erhielt ich sogar noch das Mikrostipendium II und konnte somit ein weiteres Projekt umsetzen: Ich illustrierte erste Gedichte – coronakonform.

Meine Ausstellung im Pomonatempel konnte leider nur im Mai 2020 gezeigt werden. Aber auch das war schön, war es doch die erste Ausstellung nach dem 1. Lockdown in Potsdam.

Ich hatte in dieser Zeit einen Nebenjob und konnte mich also gut über Wasser halten. Leider endete der im Februar 2021. Somit stehe ich als Künstlerin nun vor einer völlig neuen Situation. Das Mikrostipendium III hilft auch hier weiter. Weitere Illustrationen folgen. Sogar einen Verlag konnte ich für die Gedichte, die ich illustriere, finden. Ich nutze insbesondere dieses Jahr für eine sehr zeitintensive Weiterbildung in Illusionsmalerei in München.

Welche neuen Arbeitsweisen, Verbreitungs- und Kommunikationswege wurden geschaffen oder genutzt?
Eindeutig die ganze Online-Kommunikation! Weder Skype noch Zoom noch OBS oder anderes habe ich vorher angefasst. Inzwischen wird es mir sogar zu viel. Seit Ende 2019 nutze ich auch Instagram. Vereinzelt gewinne ich darüber Kunden für meine Kurse.

Welche neuen Projekte (die es so ohne die Pandemie nicht gegeben hätte) wurden entwickelt?
Über crossart international nehme ich an einer ersten virtuellen Ausstellung teil. Sie ist mit VR entwickelt worden. Ebenso über crossart international nehme ich an einer Wanderausstellung durch Deutschland teil, die coronakonform nur im Freien gezeigt wird.

Aktiv bin ich zu keiner neuen Entwicklung gekommen.

Welche Unterstützung (privat/ staatlich) habt ihr erhalten?Die Mikrostipendien des Landes Brandenburg haben mir sehr geholfen und ein Projekt weitergebracht.

Welche Erwartungen gibt es für die 2021?
Ich möchte meinen Aktzeichnen-Kurs im Rechenzentrum auch vormittags anbieten und hoffe, dass sich der 3. Mittwochvormittag genauso etabliert, wie schon der 1. Donnerstagabend. Ich hoffe genauso, dass mein lang geplanter boesner-Kurs endlich umgesetzt werden kann. Aber das alles trägt nicht. Also bräuchte ich schöne Ausstellungen, auf denen auch Bilder gekauft werden. ;-) Meine Weiterbildung möchte ich mit Diplom erfolgreich abschließen. Die gesellschaftlichen Öffnungen sehe ich verhalten, freue mich natürlich auch darüber. Ich wünsche mir eine Etablierung des RZs gegenüber der Garnisonkirche, auch von der Kommune her.

Welche Erwartungen gibt es an die gesellschaftlichen Akteure? An die Kultur- und Kreativszene selbst? An die Politik? An alle da draußen?
Mich nervt dieser ständige Kampf des RZs um seine Existenz. Ich wünsche mir endlich mal ein Machtwort von unserem Oberbürgermeister, dass das nun Status quo in Potsdam ist und bleibt. Hier arbeiten über 250 lebendige Kreative, werden Werte geschaffen, auch sozial. Das wünsche ich mir endlich anerkannt. Mich stört auch, dass alle an schönen Ausstellungen verdienen, nur wir KünstlerInnen nicht. Dass wir (teilweise) dann auch noch für die Räume extra bezahlen müssen ist ein Hammer. Ausstellungen sollten vergütet werden. Ich wünsche mir auch innerhalb der Künstlerschaft Anerkennung diverser Ausbildungswege. Von den BesucherInnen wünsche ich mir ebenso mehr Wertschätzung für unsere Arbeit und nicht immer (oft) die Frage: „Wie lange haben Sie dafür gebraucht?“ Kunst ist aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entstanden, hat ihre Berechtigung und ist eine andere Form der Arbeitsproduktivität. Auch wenn sie nicht messbar ist.

Katrin Seifert, Jahrgang 1962, beschäftigt sich schon lange mit der Kunst. Über die Kunst- und Kreativitätstherapie ist sie schließlich mit 48 Jahren zur vierjährigen Ausbildung als Bildende Künstlerin an der Schule für Bildende Kunst und Gestaltung in Berlin gekommen. Sie malt meist gegenständlich mit ihrer speziellen Strukturmethode Landschaften aus Brandenburg. Mit verschiedenen Materialien experimentiert sie auch abstrakt. Ihr Atelier hat sie im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum in Potsdam, für das sie sich in der AG Ausstellung engagiert. Sie bietet verschiedene Kreativkurse an. Von 2017-21 hat sie Kreativ- und Kulturschaffende in der Kreativagentur Brandenburg beraten. Nun arbeitet sie dort als freiberuflicher Coach. Sie ist Mitglied im BVBK, den urban sketchers und crossart international.

Mehr Informationen gibt es auf der Hompeage unter www.katrinseifert-art.de/ oder bei Instagram unter www.instagram.com/katrinseifert_art

Serie: Brandenburgs Kreative in der Pandemie

(I): MIKALO

(II): Simone Westphal

(III) Tobias Thiele

(IV) Urban Art

(V) Theaterkollektiv FRITZAHOI!

(VI) Ute Manoloudakis

(VII) Monika Leonhardt

(VIII) Ensemble Quillo

(IX) Ponderosa e.V.

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Alle Kreativschaffenden in Brandenburg sind aufgerufen, sich an der aktuellen Umfrage von Kreatives Brandenburg zu beteiligen. Einfach die folgenden Fragen beantworten und alles an info@kreatives-brandenburg.de schicken.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Deine/ Ihre/ Eure Arbeit ausgewirkt?

Welche neuen Arbeitsweisen, Verbreitungs- und Kommunikationswege hast Du/ haben Sie/ habt Ihr geschaffen oder genutzt?

Welche neuen Projekte (die es so ohne die Pandemie nicht gegeben hätte) hast Du/ haben Sie/ habt Ihr entwickelt?

Welche Unterstützung (privat/ staatlich) hast Du/ haben Sie/ habt Ihr erhalten?

Welche Erwartungen hast Du/ haben Sie/ habt Ihr für 2021?

Welche Erwartungen hast Du/ haben Sie/ habt Ihr an die gesellschaftlichen Akteure? An die Kultur- und Kreativszene selbst? An die Politik? An die Menschen, die Deine/ Ihre/ Eure Arbeit nutzen/ konsumieren/ hören/ sehen/ fühlen (wollen)?

In den kommenden Wochen stellt KREATIVES BRANDENBURG die Akteure, die an dieser Befragung teilnehmen, auf dem Webportal www.kreatives-brandenburg.de vor. Wir freuen uns über zahlreiche Antworten an info@kreatives-brandenburg.de .

Bitte auch einen kurzen Lebenslauf, Link zur Homepage/ Facebook/ Instagram etc. und ein Foto zur kostenlosen Nutzung an info@kreatives-brandenburg.de schicken!

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