Brandenburgs Kreative in der Pandemie (IV): Urban Art
Die Corona-Pandemie hat die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur ausgebremst, sondern teilweise in existenzielle Nöte gebracht. Jetzt, nach einem Jahr Pandemie, heißt es: nach vorne schauen! Auch 2021 wird nicht einfach werden, aber es gibt Chancen, dass wir zu einer (neuen) Normalität kommen.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit ausgewirkt?
Die Pandemie hat sich auf unsere Arbeit in verschiedener Hinsicht ausgewirkt. Bezogen auf unser Grundelement „Streetart/Graffitikunst“ sind wir weiterhin wenig eingeschränkt. Wir können unsere Kunst im öffentlichen Raum ausüben und auch Publikum/Passanten sind allein dadurch geschützt, dass sich alles im Außenbereich abspielt. Somit sind wir weiterhin künstlerisch sehr produktiv – wahrscheinlich war das letzte Jahr eine der produktivsten Zeiten seit Langem für einige von uns. Die Darstellung im klassischen Ausstellungskontext ist jedoch sehr schwierig. So haben wir im Oktober 2020 eine Ausstellung, basierend auf unseren Arbeiten im öffentlichen Raum, unter großem Aufwand und mit Beteiligung vieler Künstler kuratiert, konzipiert und aufgebaut. Bis heute konnte sich diese Ausstellung noch kein Besucher anschauen. Das ist natürlich sehr schade und wir hoffen auf eine baldige Besserung der Coronasituation, so dass der klassische Ausstellungsbetrieb sowie Veranstaltungen wieder durchführbar sind. Ebenso wirkt sich die Pandemie auf ein weiteres Kernelement unseres Ausstellungsprojektes und unseres Selbstverständnisses als Künstler aus – das Reisen. Leider ist das Reisen sowie der Kontakt zu Künstlern aus anderen Ländern im Moment nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt möglich.
Welche neuen Arbeitsweisen, Verbreitungs- und Kommunikationswege wurden geschaffen oder genutzt?
Viele unser Abstimmungstätigkeiten als Team sowie die Kommunikation mit beteiligten Künstlern, Kulturschaffenden und Unterstützern hat sich ins Internet verlagert. Whatsapp, Zoom, Skype, Telegram, Mails, AirBnb, etc sind zu ständigen Begleitern und wertvollen Werkzeugen geworden. Unser Ausstellungsprojekt „uatwix“ im Oktober 2020 haben wir in seiner Umsetzungsphase per Video festgehalten und dieses bei Youtube auf unserem Kanal „Urban Art Exhibition“ veröffentlicht. Ebenso haben wir die komplette aktuelle Ausstellung mit Hilfe des Künstlers Pyser als Onlineausstellung dokumentieren können, die somit via Smartphone oder Computer trotz der Pandemie besichtigt werden kann.
Natürlich ist festzustellen dass mit zunehmender Länge der Pandemie auch diese Möglichkeiten ihren Zenit überschreiten. Der persönliche Kontakt innerhalb des Teams, zu anderen Künstlern und zu Besuchern sowie der Live-Kontakt zu den Bildern sind einfach nicht zu ersetzen. Ebenso das deutschlandweite sowie internationale Reisen, das für uns eine sehr große Rolle spielt.
Welche neuen Projekte (die es so ohne die Pandemie nicht gegeben hätte) wurden entwickelt?
Wir haben uns im Oktober 2020 Dank der Unterstützung der Galerie Brandenburg in Cottbus in einen leeren Gebäudekomplex für eine „künstlerische Quarantäne“ eingeschlossen. Mehrere Tage haben wir uns hierzu in eine Blase mit 6 Künstlern begeben, jeder bekam einen Raum des leeren Bürogebäudes zur freien Verfügung und hat diesen im Rahmen unseres Urban Art Ausstellungsprojektes gestaltet. Hierüber hinaus wurden Werke von vielen weiteren nationalen und internationalen Künstlern zur Besichtigung inszeniert. Es war eine spannende und sehr wertvolle Erfahrung, die sicherlich ausbaufähig und erweiterbar ist. Es war festzustellen, dass die Pandemie wie ein Filter fungiert. Viele ablenkende Reize werden ausgeklammert und ermöglichen den Fokus konzentriert auf einen bestimmten Bereich zu legen. Zudem wird Corona sicherlich auch das Thema für unsere diesjährige Ausstellung beeinflussen – in welcher Form genau werden wir intern sicher ausgiebig diskutieren.
Abgesehen hiervon haben wir mit kleineren künstlerischen Arbeiten und Beiträgen die Kulturszene in Cottbus sowie München unterstützt. In diesem Zusammenhang gab es unter anderem eine Kooperation mit der Club Kommission Cottbus.
Welche Unterstützung (privat/ staatlich) habt ihr erhalten?
Im Rahmen des Corona-Jahres 2020 haben wir Unterstützung vor Allem durch die Galerie Brandenburg in Cottbus erfahren. Zudem ist Radio Cottbus stets ein zuverlässiger und warmherziger Partner für uns. Hierüber hinaus konnten wir eine Kooperation mit einer Berliner Immobilienfirma eingehen, welche uns bei der Beschaffung von Material für unser Ausstellungsprojekt unterstützte. Alle weiteren Mittel stellten wir privat bereit. Sehr enttäuscht sind wir über die Arbeitsweise der Medienlandschaft in Cottbus und Brandenburg. Unserem Eindruck nach beobachten wir eine große Lethargie und die Fokussierung auf das Negative sowie keinerlei eigene Aktivitäten und journalistische Neugier im Kultur und Kunstbereich.
Welche Erwartungen gibt es für 2021?
Wir erwarten, dass sich die Situation nur langsam verbessern wird. Veranstaltungen, zum Beispiel im Sinne von Ausstellungseröffnungen, werden weiterhin nur im kleineren Rahmen sowie unter entsprechenden Vorkehrungen möglich sein. Dennoch erwarten wir nach der langen Durststrecke eine positive Entwicklung, verbunden mit Ideen, einem Aufwind bei der Umsetzung und dem Aufblühen alter und neuer Strukturen. Wir selbst haben den Vorteil, dass wir nicht allzu abhängig von einem großen Publikum sowie finanzieller Hilfestellung sind. Somit werden wir uns auch 2021 weiterhin vor allem einer Sache widmen: der Produktivität und somit der Erstellung künstlerischer Inhalte.
Welche Erwartungen gibt es an die gesellschaftlichen Akteure? An die Kultur- und Kreativszene selbst? An die Politik? An alle da draußen?
Der Kultur- und Kreativszene wünschen wir Durchhaltevermögen und dass sie die „still stehende“ Zeit neben dem nackten Überleben auch für neue Ideen, die Erweiterung des theoretischen Backgrounds, die Entwicklung von neuen Konzepten und im Stillen entstandenen Werkzyklen nutzen kann. Zudem ist die Kunst ja auch immer ein Spiegel für die Gesellschaft, somit bietet sich an die Pandemie auch im künstlerischen Sinne aufzuarbeiten. Von der Politik erwarten wir nicht viel, da sich unsere aktuelle gesellschaftspolitische Ausrichtung mit der Wertschätzung für Kunst und der Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für Kultur abseits von immer weniger werdenden etablierten Institutionen beißt. Hier stellen wir eher Forderungen an die Medienlandschaft, also Zeitungen, Radio und Fernsehen sowie bestimmte Onlineangebote: Die journalistische Würdigung von einem größeren Spektrum von kulturellen Ideen; Eigeninitiative bei der Recherche und beim Verfassen von Artikeln; Neugierde und Offenheit für die kulturelle Landschaft abseits des klassischen Schemas – all das würden wir sehr begrüßen. Ebenso würden wir uns von den Kulturämtern wünschen sich von der reinen Verwaltung ihrer selbst und der immer weniger werdenden Großakteure hin zur Unterstützung der Kulturszene im regionalen Gesamtkontext zu wenden. Auch hier wäre etwas mehr Neugierde und intrinsisches Interesse am eigenen Arbeitsbereich und der eigenen Region wünschenswert. Dies ist jedoch ein Problem welches bereits weit vor der Pandemie bestand – es war ja anscheinend lange nicht einmal möglich einen Haushalt zu verabschieden. Bezogen auf unser Publikum können wir nur hoffen, dass sich alle trotz Coronamüdigkeit, Niedergeschlagenheit und Netflix ihr Interesse und ihr Engagement bewahren mit dem sie uns in den vergangenen Jahren so beständig unterstützt haben. Wir freuen uns darauf Euch wiederzusehen, mit euch in einen produktiven Austausch zu treten sowie neue Begleiter kennenzulernen!
Urban Art stellen sich vor: Das Urban Art Kollektiv ist eine Künstlergruppe, welche sich 2004 in Cottbus gründete und 10 Jahre in Cottbus für Graffitikünstler*Innen und Kunstschaffende eine Plattform in Form einer Gruppenausstellung bot. Diese Ausstellungen fanden jährlich mit immer neuen Themen statt. Dies bedeutet, dass jede Kunstposition, die die Künstler*Innen erstellten, extra für diese Ausstellungsreihe angefertigt wurde.
Nach 10 Jahren entwickelte das Organisations-Team das bestehende Konzept weiter und bereiste jedes Jahr eine Hauptstadt oder Großstadt in der EU, um Kunstwerke ungefragt im öffentlichen Raum auszustellen. Reisen nach Zagreb, Prag, Rom, Den Haag, Warschau und Madrid in den letzten Jahren wurden von den beteiligten Künstlern und dem Publikum mit Spannung verfolgt. Das Besondere ist hierbei geblieben: Immer wechselnde Themen zu denen die Künstler*Innen Arbeiten anfertigten, die sie dem Urban Art Team aushändigten, um sie in den oben genannten Städten im öffentlichen Raum auszustellen - Streetart in seiner Reinform sozusagen.
Der Dokumentarfilm „Unboxing Warschau“ von Vollvincent erläutert die Vorgehensweise und gibt einen kleinen Einblick in das Schaffen der Gruppe. Das Projekt gewann hiermit einen Publikumspreis der Lausitzer Filmschau im Jahr 2019.
Alle Kreativschaffenden in Brandenburg sind aufgerufen, sich an der aktuellen Umfrage von Kreatives Brandenburg zu beteiligen. Einfach die folgenden Fragen beantworten und alles an info@kreatives-brandenburg.de schicken.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Deine/ Ihre/ Eure Arbeit ausgewirkt?
Welche neuen Arbeitsweisen, Verbreitungs- und Kommunikationswege hast Du/ haben Sie/ habt Ihr geschaffen oder genutzt?
Welche neuen Projekte (die es so ohne die Pandemie nicht gegeben hätte) hast Du/ haben Sie/ habt Ihr entwickelt?
Welche Unterstützung (privat/ staatlich) hast Du/ haben Sie/ habt Ihr erhalten?
Welche Erwartungen hast Du/ haben Sie/ habt Ihr für 2021?
Welche Erwartungen hast Du/ haben Sie/ habt Ihr an die gesellschaftlichen Akteure? An die Kultur- und Kreativszene selbst? An die Politik? An die Menschen, die Deine/ Ihre/ Eure Arbeit nutzen/ konsumieren/ hören/ sehen/ fühlen (wollen)?
In den kommenden Wochen stellt KREATIVES BRANDENBURG die Akteure, die an dieser Befragung teilnehmen, auf dem Webportal www.kreatives-brandenburg.de vor. Wir freuen uns über zahlreiche Antworten an info@kreatives-brandenburg.de .
Bitte auch einen kurzen Lebenslauf, Link zur Homepage/ Facebook/ Instagram etc. und ein Foto zur kostenlosen Nutzung an info@kreatives-brandenburg.de schicken!
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